Freitag, 4. November 2011

Bolivien erregt Aufmerksamkeit in Europa

In den letzten Monaten sind gleich zwei wichtige Dinge in der Politik Boliviens passiert. Ein Protestmarsch zur Erhaltung eines Naturparks und eine Volkswahl aller Justizorgane sind der Grund für das Interesse der Presse in Bolivien. Aber eins nach dem anderen:

Protestmarsch zur Erhaltung des Nationalparks Tipnis
Etwa 2000 Menschen indigener Abstammung sind über 450km nach La Paz gelaufen, um gegen den Bau einer Straßenverbindung durch einen Naturnationalpark zu protestieren. Der Bau ist seit drei Jahren genehmigt und auch die Finanzierung steht, aber niemand hat nach der Zustimmung der indigenen Bevölkerung gefragt. Bei dem Protest treffen sehr alte Differenzen verschiedenen Ethnien hier in Bolivien zusammen. Indigen ist leider nicht gleich indigen: In der neuen Verfassung, die seit 2009 gilt, sind 36 verschiedene Ethnien geschützt. Die Cocalero-Gewerkschaft, die Cocabauer- Vereinigung, aus der Evo Morales hervorgegangen ist, befürwortet die Straße als Entwicklungschance. Die Straße zerstört aber nicht nur den Naturpark, es wird auch befürchtet, dass sie auch als Kokain-Ausfallachse nach Brasilien dienen wird. Evo Morales hat auf die Proteste mit Polizeigewalt reagiert, woraufhin zwei seiner Minister zurückgetreten sind. Angeblich hat jetzt Evo Morales den Bau der Straße gestoppt - ich bin gespannt wie es weiter geht.

Volkswahl der Justizorgane
Da viele Richter korrupt sind und nicht das Vertrauen der Bevölkerung genießen, hatte Evo Morales gefordert, die Richter direkt vom Volk wählen zu lassen. Das wurde am Sonntag, dem 16.10. getan. Das ganze Land stand still, da per Gesetz kein Auto fahren durfte und alle wählen gehen mussten. Das traurige Ergebnis ist aber, dass in Santa Cruz fast 70% der Stimmabgaben und Schätzungen zufolge landesweit etwa 50% der Stimmen leer oder ungültig waren. Der Grund dafür liegt in der Auswahl der Kandidaten zur Richterwahl. Aus rund 950 Kandidaten wurden im Kongress (vergleichbar mit dem Bundestag) 110 mit 2/3-Mehrheit ausgewählt. Da aber die MAS-Partei von Evo Morales selbst über 68% aller Stimmen im Kongress hat, glauben viele nicht an die Objektivität und Neutralität der Richter. Da in Bolivien Wahlzwang herrscht (wer nicht wählen geht, kann drei Monate lang keine Bankgeschäfte tätigen), haben die Wähler mit leeren und ungültigen Stimmzetteln reagiert. Die Regierung rühmt sich dabei jedoch mit einer Wahlbeteiligung von 90% und ignoriert die Ablehnung der Wahl durch etwa die Hälfte der Bevölkerung. Mitte November wird das endgültige Wahlergebnis veröffentlicht und die Richter ins Amt eingeführt, da dafür nur die einfache Mehrheit der gültigen abgegebenen Stimmen benötigt wird.
Das einzig Positive an der Wahl ist, dass die Frauen über 55% aller Positionen besetzen - ganz ohne Streit über eine Frauenquote.

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